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Baton Rouge

Chapter 23: - 22 -

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

Tag 7 - Sonntagvormittag


Hermine war so lange, wie sie es eben ausgehalten hatte, im Bett liegen geblieben. In dieser Nacht hatte sie alleine geschlafen. Sie hatte am gestrigen Abend zwar gehört, wie Malfoy die Wohnung wieder betreten hatte, aber er war nicht zu ihr ins Schlafzimmer gekommen. Und da bereits nach wenigen Minuten Stille eingekehrt war, hatte sie angenommen, dass er in dieser Nacht wieder sein Sofa als Schlafplatz vorgezogen hatte.

Sie konnte nicht behaupten, dass sie das gestört hätte, denn Hermine hatte bereits befürchtet, dass die Situation wieder eskalieren würde - auf die eine oder eben die andere Weise. Denn selbst, wenn sie nicht weiter über Harry und Malfoys seltsamen Sinneswandel gesprochen hätten, hätte es durchaus passieren können, dass sie einmal mehr nicht die Finger voneinander gelassen hätten - und das wollte Hermine mit aller Macht vermeiden.

Den gesamten Samstag über hatte sie sich immer wieder dabei erwischt, wie sie darüber nachdachte, wie es wohl wäre, noch einmal mit Malfoy zu schlafen, bevor sie seine Wohnung endgültig verlassen musste. Und da sie eine ganze Weile allein gewesen war, hatte sie viel zu viel Zeit gehabt, um diese Gedanken fortzuspinnen. Irgendwann hatte sie sich selbst gestoppt. Diese Gedanken waren mehr als falsch. Es war immer noch Malfoy, über den sie da nachdachte. Und egal, was in den letzten Tagen geschehen war - auch wenn er ihr geholfen und den Zauberbann des Baton Rouge nicht missbraucht hatte -, entschuldigte das nicht ihr Verhalten.

Insgeheim schämte Hermine sich dafür, dass sie es so genossen hatte. Und sie musste sich eingestehen, dass sie zu einem großen Teil selbst daran schuld war, dass es so oft zu dem körperlichen Kontakt zwischen ihnen gekommen war. Es war eine Grenze, die sie nicht hätten überschreiten dürfen. Je länger sie darüber nachdachte, desto sicherer war sie sich, dass es verdammt gut war, dass es heute vorbei war.

Zwischen ihnen war nichts, rein gar nichts, und war auch noch nie etwas gewesen. Abgesehen von Hass natürlich. Und nur, weil sie beide sich dazu hatten hinreißen lassen, sich auf dieser speziellen Ebene näherzukommen, bedeutete das nicht, dass Hermine vergessen würde, wer Draco Malfoy wirklich war.

Mit diesem Entschluss schwang sie die Beine aus dem Bett und stand endlich auf. Die Sonne, die durch das Fenster in den Raum fiel, versprach einen goldenen, lauwarmen Herbsttag, und wärmte ihre Zehen auf dem Parkett.

Hätte Hermine nicht andauernd über Harry, Malfoy oder ihre Rückkehr in das Bordell nachdenken müssen, hätte sie sich fast als gut gelaunt bezeichnet. Der Blick nach draußen war einfach herrlich. Die Bäume hatten bereits ihre grünen Blätter gegen ein orangerot leuchtendes Kleid getauscht. Sie wünschte sich unwillkürlich, sie könnte einfach die Wohnung verlassen, einen Spaziergang durch das herbstliche London machen und dabei ein bisschen frische Luft schnappen. Sie wollte noch nicht einmal irgendetwas Bestimmtes tun. Allein die Vorstellung, für ein paar Stunden unbesorgt und frei zu sein, ließ hier Herz schneller schlagen.

„Guten Morgen.“ Hermine zuckte zusammen. Er hatte sich wieder einmal angeschlichen und sie schalt sich innerlich, weil sie sich eigentlich vorgenommen hatte, dass ihr das nicht noch einmal passieren würde.

Malfoy stand in der Zimmertüre. Er hatte immer noch seine Kleidung vom Vortag an und Hermine wurde bewusst, dass er das Schlafzimmer absichtlich gemieden haben musste. Vielleicht ging es ihm ja genauso wie ihr - oder er war sie mittlerweile einfach leid.

„Wie geht es dir heute?“, wollte er wissen und musterte sie aufmerksam. Hermine zuckte mit den Schultern. Tatsächlich hatte sie, seitdem sie aufgewacht war, noch keinen einzigen Gedanken an die Pillen verschwendet. Das schien ihr ein gutes Zeichen zu sein.

„Alles okay“, sagte sie daher wahrheitsgemäß und legte den Kopf leicht schief. Sie betrachtete ihn kurz und wägte ab, ob sie es wirklich wagen konnte, ihn erneut um einen Gefallen zu bitten. „Malfoy?“ Er hob eine Augenbraue. „Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir spazieren gehen?“, Hermine flüsterte es nur und erwartete, dass er sie auslachte, doch das tat er nicht.

„Meinetwegen.“

Es war das Einzige, das er sagte, bevor er sich herumdrehte und das Schlafzimmer verließ. Hermine folgte ihm und beobachte ihn dabei, wie er in seine Schuhe schlüpfte und den Mantel vom Gaderobenhaken nahm.

„Was, jetzt gleich?“, fragte sie verwirrt und erwiderte seinen Blick, als er den Kopf drehte. Malfoy sah auf eine merkwürdige Weise melancholisch aus.

„Du weißt nicht, wie viel Zeit uns noch bleibt“, sagte er knapp und Hermine spürte eine Gänsehaut in ihrem Nacken. Er hatte recht.

+.+.+

Hermine balancierte auf einer kleinen Mauer direkt am Themse-Ufer, während Malfoy ihr mit einigen Metern Abstand auf dem Gehweg folgte. Er war still, irgendwie abwesend, und schien ihre Begeisterung in keinster Weise teilen zu können. Hermine hingegen war selig. Ihre einzigen Ausflüge in den letzten Jahren hatten sich auf Besuche in der Nokturn- und der Winkelgasse beschränkt. Niemals hätten die Mitarbeiter des Zaubereiministeriums es zugelassen, dass ein überwachtes Schlammblut, wie sie es war, sich ohne Beaufsichtigung in die Welt der Muggel begab. Viel zu groß wäre das Risiko gewesen, dass sie untertauchte oder - noch schlimmer - sich irgendjemandem anvertraute.

Das Wasser der Themse rauschte einige Meter unter ihr beruhigend dahin und Hermine blieb immer wieder stehen und streckte ihre Nasenspitze der Sonne entgegen. In jedem anderen Moment hätte es sie wahrscheinlich wahnsinnig gemacht, dass Malfoy kein Wort mit ihr sprach, doch jetzt gerade war es ihr schlichtweg egal.

Sie wusste, dass ihre Zeit knapp bemessen war, und sie wollte jede Sekunde davon genießen. Trotzdem war sie Malfoy dankbar dafür, dass er ihrem Wunsch Folge geleistet hatte. Sie hätte nicht damit gerechnet, dass er sich wirklich dazu herabließ, mit ihr das Haus zu verlassen, aber er hatte noch nicht einmal protestiert.

Eine Familie mit zwei kleinen Kindern, welche begeistert jeweils eine Eistüte in den Händen hielten, kam ihnen entgegen und Hermine sah ihnen einige Sekunden sehnsüchtig nach. Dann setzte sie ihren Weg fort, beobachtete die Autos auf den Straßen, die Menschen, die völlig arglos durch ihre ganz eigene Welt flanierten, und die reichlich ausgeschmückten Schaufenster auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Sie saugte alle Eindrücke gierig in sich auf, um sich später daran erinnern zu können.

„Granger.“ Hermine wurde aus ihrer Tagträumerei gerissen, als Malfoy ihren Namen sagte. Sie hatte nicht bemerkt, dass er sich von ihr entfernt hatte, doch nun kam er geradewegs von der Straße auf sie zu. Sie senkte den Blick auf den Eisbecher, den er ihr hinhielt, und es verschlug ihr kurz die Sprache.

„Ist der für mich?“, fragte sie schließlich fassungslos und hob den Kopf. Er wich ihrem Blick aus.

„Ich dachte, da du nicht mehr kotzen musst..“ Hermine nahm den Eisbecher vorsichtig aus seiner Hand und achtete sorgsam darauf, dass sich ihre Finger dabei nicht berührten, was eigentlich lächerlich war. Doch aus irgendeinem Grund hatte sie das Gefühl, dass Malfoy sein eigenes Verhalten unangenehm war. Und um ihn nicht noch mehr bloßzustellen, verzichtete sie absichtlich auf irgendwelche weiteren Worte.

„Danke“, war das Einzige, was sie herausbrachte, bevor sie sich andächtig den Löffel mit dem Eis in den Mund schob. Sie verzog genießerisch das Gesicht.

Wann hatte sie eigentlich zum letzten Mal eine Kugel Eis gegessen? Das musste noch zu Schulzeiten gewesen sein. Am liebsten hätte sie Malfoy gesagt, was er doch für ein verdammter Glückspilz war. Immerhin konnte er jeden Tag in diesen Genuss kommen, wenn ihm der Sinn danach stand. Doch sie hielt sich zurück. Mehr Freundlichkeit konnte sie von ihm kaum erwarten und sie wollte ihn nicht provozieren.

Stattdessen ließ sie sich auf eine der Bänke am Flussufer fallen und nach einigen Minuten setzte Malfoy sich schließlich neben sie.

„Wo warst du gestern?“, fragte sie schließlich mutig, auch wenn sie seine Geduld nicht überstrapazieren wollte. Malfoy hatte die Wohnung am Abend zuvor verlassen, ohne ihr Bescheid zu geben, und seitdem hatten sie kaum ein paar Worte miteinander gewechselt. „Wieder im Ministerium? Ein wenig über Umbridge herziehen?“ Hermine hatte ihr Ziel erreicht, denn ein ganz leichtes Lächeln hatte sich auf Malfoys Gesicht geschlichen. Er schüttelte den Kopf.

„Ich habe mich mit Blaise getroffen.“

Hermine hob betont fragend die Augenbrauen, während sie sich einen weiteren Löffel des absolut köstlichen Schokoladeneises in den Mund schob. Malfoy schnaubte - offenbar war sie ihm wieder einmal zu neugierig -, fuhr dann aber fort.

„Ich dachte, es wäre eine gute Idee, ihm das Gefühl zu geben, dass mit mir alles in Ordnung ist. Dass ich nicht vollends 'durchdrehe', wie er es wahrscheinlich nennen würde.“ Er warf ihr einen bedeutungsvollen Blick zu und Hermine, glaubte zu wissen, was er im Schilde führte.

„Du willst ihn in Sicherheit wiegen, während du gar nicht mehr ernsthaft nach Harry suchst“, stellte sie fest und er schwieg. „Was versprichst du dir davon, Malfoy?“ Das würde Hermine in der Tat gerne wissen, denn immer noch hielt sie Malfoys Plan, wenn es denn überhaupt einer war, für eine gänzlich dumme Idee. „Du hast es selbst gesagt: eure ach so tollen Auroren..“ Sie stieß ein abfälliges Geräusch aus. „..fahnden seit Jahren nach Harry und das war bisher nicht von Erfolg gekrönt.“ Sie schüttelte leicht ihren Kopf. „Selbst wenn du nun der Meinung bist, dass du nicht mehr Teil davon sein willst, was ich tatsächlich nicht begreife, bezweifele ich, dass es irgendetwas ändern würde.“

Der Blick, mit dem Malfoy sie nun bedachte, ließ sie frösteln. Seine sturmgrauen Augen blitzten und seine Lippen hatten sich zu einem schmalen Strich verzogen. Scheinbar hatte sie es wieder einmal geschafft, genau das Falsche zu sagen, und sie bereute es bereits. Sie hätte sich überhaupt nicht einmischen sollen. Obwohl es sie am Tag zuvor noch so positiv überrascht hatte, dass Malfoy ihr gegenüber so offen gesprochen hatte, war es nicht an ihr, nun seine inneren Beweggründe zu beurteilen.

„Ich denke, dieses Gespräch ist beendet, Granger“, zischte er. „Wenn ich es mir recht überlege, geht es dich sogar einen Scheißdreck an, was ich tue oder lasse. Und ich schwöre dir, wenn du mit dem Gedanken spielst, auch nur einer Menschenseele davon zu erzählen, worüber wir gestern gesprochen haben, dann nimm dich in Acht.“

Und da war er wieder. Der Draco Malfoy, den Hermine in Erinnerung gehabt hatte. Vor dem sie sich eventuell sogar fürchtete. Vor dem sie am liebsten geflohen wäre, als er im Baton Rouge auf einmal vor ihr gestanden hatte.

In diesem Moment glaubte sie ihm aufs Wort, dass er ihr das Leben zur Hölle machen würde, wenn sie ihm auf irgendeine Art und Weise in die Quere kam. Er hatte sich ihr vielleicht ein stückweit geöffnet, hatte ihr einen kleinen Einblick in seine Gedanken erlaubt und er hatte sie gut behandelt. Aber was auch immer Hermine dazu gebracht hatte, ernsthaft zu denken, dass zwischen ihnen eine Art Vertrauensverhältnis, vielleicht sogar irgendeine Anziehung, entstanden wäre, schrumpfte unweigerlich wieder in sich zusammen.

Malfoy war aufgestanden. Die Art, wie er die Hand in seiner Manteltasche verkrampft hatte, ließ Hermine wissen, dass er seinen Zauberstab fest umklammert hielt. Und ihr war klar, dass ihr Ausflug an dieser Stelle beendet war. Sie erhob sich stumm, warf ihren leeren Eisbecher in den Papierkorb neben der Bank, auf der sie gesessen hatten, und schalt sich innerlich dafür, dass sie mit ein paar unbedachten Worten den Frieden zwischen ihnen wieder einmal zerstört hatte.

Natürlich interessierte es ihn nicht, was sie wirklich dachte - geschweige denn, dass er es hören wollte. Sie war doch nur das Schlammblut. Eine Hure. Wenn sie Glück hatte zwar nun clean, aber dennoch.. eben der Abschaum des Landes. Seine Worte.

Hermine seufzte und folgte dem blonden Zauberer, der sich bereits von ihr abgewandt hatte, und nun mit großen Schritten die Straße überquerte.

Notes:

Jedes Kudo &

jeder deiner Gedanken

zu diesem Kapitel zaubert mir

ein Lächeln ins Gesicht. ♡